Frankreichs Sozialisten: Kampf um die Präsidentschaftskandidatur im Schatten von DSK

17 September, 2011 at 9:17 pm Hinterlasse einen Kommentar

Mon cher Ami,

Offenbar bist auch Du der Meinung, dass Dominique Strauss-Kahn bei der Mehrheit der französischen Sozialisten nicht mehr als einer ihrer Präsidentschaftskandidaten in Frage kommt. Aus diesem Grunde hat Dich, wie Du mir geschrieben hast, der am letzten Donnerstag (16. September) durchgeführte erste Fernsehabend zur Vorbereitung der beschlossenen Primärwahlen für den Präsidentschafts-Kandidaten der französischen Sozialisten nicht interessiert

Schade, denn damit hast Du etwas sehr Wichtiges verpasst. Die Organisatoren, die Zeitung „Le Monde“ und das „La 2“ zweite französische Fernsehen, hatten neben François Hollande, Martine Aubry und Segolène Royal, die bisherigen gewählten Leader der Sozialisten, noch drei Newcomers eingeladen: der erfolgreiche Bürgermeister von d’Evry, Manuel Valls, der bekannte Finanzspezialist Arnaud Montebourg und der Radikalsozialist und äusserst sicher wirkende Jean-Michel Baylet. Bereits ein Mann in gesetztem Alter im Gegensatz zu den zwei „Jungtürken“ Valls und Montebourg.

Der mir als Super-Nachrichtenmann vom zweiten Fernsehen her bekannte, scharfzüngige und äusserst präzis und klar denkende David Pujadas hatte zusammen mit der sozialistischen Parteileitung den Ablauf des Abends in einer vorzüglich, fast auf die Minute stimmenden Befragung der sechs Kandidaten organisiert und geleitet. Mit dem fantastischen Resultat, das Aussprache und Befragung ohne das übliche, einem neuerdings auch bei unserer Arena auf die Nerven gehende, ständige Dazwischenreden, erlaubte den Teilnehmern, ihre Gedanken und Sätze fertig zu machen und der durchaus mit Humor und eigentlich einem normalen Zuhören gut erzogener Gesprächspartner entsprechenden Atmosphäre in den vorgesehenen drei Stunden über die Bühne zu bringen. Ein bei politischen Gesprächen besonders in Frankreich äusserst seltenes Erlebnis, das auch uns in der Schweiz, seit dem Aufkommen eines angeblich bodenständigen, in Wirklichkeit vor allem grobschlächtig und ungezogen wirkende Politjargons gut tun würde!

<<Sich voneinander unterscheiden, ohne die Partei zu spalten>> so etwa wurde im Deutschlandfunk der Verlauf des Abends umschrieben, was zweifellos die Absicht der Teilnehmer war, was aber den mir gemachten Eindruck nicht ganz erfasst. 

Mein Eindruck war an einem Gespräch teilzunehmen, in welchem sechs voneinander vollständig verschiedene, aber einzelne spezifische Aspekte französischer Politik repräsentierende Politiker einander zu einem Gesamtbild der wesentlichen Probleme des Landes gegenseitig ergänzten und so auch zu einer breit gefächerten Palette von durchaus einander nicht immer gleichen, aber nicht einander ausschliessenden Lösungen zu kommen. Die ideale Grundlage für eine im Teamwork zu erarbeitenden demokratischen Gesamtlösung und nicht nur Lösungen, die von einer meistens nach Lust und Laune entscheidenden obersten, meist fern von den Realitäten stehenden Spitze diktiert werden. So wie das jetzt dem französischen Präsidialsystem de Gaulle’scher Prägung entspricht.

Die Schlussfolgerung war denn auch, obwohl jeweils von der Spezialität des einzelnen Kandidaten ausgehend für die jeweils angesprochenen Aspekte der einzelnen Landesprobleme die gleiche, nämlich: die vorhandenen und seit Jahren praktizierten Lösungen und Zielsetzungen staatlicher Ordnung seien dringend zu ändern, um der Entwicklung unserer Zeit, aber auch dem Bedarf nach mehr demokratischer Verantwortung und Entscheidungen zu entsprechen. 

Natürlich hat diese Fragen jeder der sechs Kandidaten seinem politischen credo und seinem Demokratieverständnis entsprechend beantwortet, aber alle betonten jeweils auch, dies müsse gemeinsam und nicht einsam irgendwo an der obersten Spitze geschehen. Gemeint sind natürlich die diese in den letzten Jahren immer drastischer ausfallenden „politischen Schnellschüsse“ Sarkozys, der übrigens einer der wenigen Politiker war, gegen den von den sechs Kandidaten die in der Politik so beliebten Giftpfeile, besonders in Wahlzeiten (übrigens gleich wie bei uns), abgeschossen werden.

An sich zeigte dieser Fernsehabend deutlich, dass zwar die Franzosen nach wie vor an eine weit oben stehende, mit viel Glanz und Gloria umgebene und souverän entscheidende Staatsspitze glauben, dass aber immer mehr auch ihnen durch die Wirklichkeit gezeigt wird, in unserer heutigen schnelllebigen, mit Windeseile in allen Ecken erreichbaren Welt und technisch/wissenschaftlich so ineinander verwobenen Bedürfnisse aller Länder und Völker ein Einzelner gar nicht fähig ist, irgendeinen sachgerechten und vernünftigen Entscheid zu treffen. Vor allem der Vielfalt einander so divergierender Menschen und Bürger irgendein Verhalten vorschreiben zu wollen, ohne es zusammen mit ihnen zu tun: nicht nur durch pompöse Zirkusspiele und viel Brot, sondern durch Ausbau des Systems demokratischer Zusammenarbeit.

Frankreich hat das schon einmal erkannt und würde gut daran tun, bei Präsidentenwahlen wieder einmal das Werk von Montesquieu, <<De l’Esprit des Lois>>, auch in einer der zahllosen Kurzfassungen durchzustöbern und so vielleicht die auf de Gaulle zugeschnittene absolute Gewalt durch Stärkung von Regierung und Parlament und Einführung von etwas mehr Mitwirkungsmöglichkeiten der Stimmbürger zu demokratisieren.

So wie alles in diesen Dingen viel Zeit braucht, wünsche ich den Sozialisten einen Kandidaten, der über diese Abgeklärtheit, Selbstsicherheit und Autorität verfügt, um ein Gegenstück zu der Machtgier vieler Politiker sein könnte. Zur Zeit kommt mir dafür nur ein Mann in den Sinn, der gerade, was er erlebt hat, auch die menschliche Reife erreicht hat, um ein aufgeklärter Präsident zu sein: Dominique Strauss- Kahn! Zudem ist er heute ein weltweit anerkannter, profunder Kenner und Spezialist für die Lösung der unsere Welt dominierenden Wirtschafts- und Finanzprobleme.

Und mit den sechs am letzten Donnerstag vorgestellten Kandidaten könnte er auch bereits einen Teil der Sitze in seiner zukünftigen Regierung besetzen.

Lieber Freund gib nicht zu schnell auf – es kann ohne weiteres dazu kommen, dass Dein Vorzugskandidat das Rennen macht.

 

 

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